Das Lachen im alten Rom: Eine Kulturgeschichte (German Edition) by Mary Beard
Autor:Mary Beard [Beard, Mary]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783805350297
Herausgeber: Verlag Philipp von Zabern in Wissenschaftliche Buchgesellschaft
veröffentlicht: 2016-04-30T22:00:00+00:00
Tödliches Lachen und agelastische Überlieferungen
Die Verbindung zwischen Nachahmungen und Lachen hatte noch weitere, teilweise gefährliche Folgen. Eine davon ist eindrucksvoll durch eine Anekdote in Festus’ Über die Bedeutung der Wörter, einem Lexikon aus dem zweiten Jahrhundert n. Chr., illustriert.83 Unter dem Eintrag „Pictor“ (Maler) lesen wir vom Tod des berühmten Zeuxis:84 „Maler Zeuxis starb vor Lachen, als er unbändig über das Bild einer alten Frau lachte, die er selbst gemalt hatte. Warum Verrius Flaccus (der ursprüngliche Verfasser des Lexikons) diese Geschichte hier anbringt, wo er doch über die Bedeutung von Wörtern schreiben wollte, ist mir schleierhaft, ebenso warum er einige anonyme Verse zum selben Thema zitiert: ‚Welche Grenze setzt er seinem Lachen/wenn er nicht enden will wie jener Maler, der lachend starb?‘“85 Die Geschichte hatte ein bemerkenswertes Nachleben in einem Selbstporträt Rembrandts, das dieser in hohem Alter malte. Es zeigt den lachenden Künstler vor einer offensichtlich hässlichen Figur und hat der Wissenschaft einige Rätsel aufgegeben. Zeigte sich Rembrandt hier etwa als Demokrit, als der lachende Philosoph? Ziemlich sicher nicht. Denn die zweite Figur im Hintergrund scheint eindeutig eine Frau zu sein, weshalb das Bild wohl eher eine gezielte Referenz an den Malerkollegen Zeuxis darstellt, der seinem Ende entgegensieht (Abb. 6).86
Es geht mir hier nicht um den Wahrheitsgehalt der Geschichte. Sie ist erst Jahrhunderte nach dem Tod des Zeuxis das erste Mal bezeugt, und selbst wenn man annimmt, dass der Hinweis von Festus auf die ältere Lexikonfassung von Verrius Flaccus korrekt ist, kennen wir dessen Quellen noch lange nicht. Genauso wenig geht es mir um die physiologische Möglichkeit, sich totzulachen. Diese witzige Vorstellung ist in der antiken wie in der modernen Kultur etabliert. Meine Frage ist viel mehr, was Zeuxis am Gemälde einer älteren Frau so zum Lachen fand, dass es ihn glatt umbrachte.
Wir könnten an Misogynie in der Antike und an die kulturelle Konstante der alten Schachtel denken. Wozu sind alte Frauen denn sonst gut, außer für einen Lacher? Was sollte ein Künstler, der alte Schachteln malt, anderes tun als lachen? Sind alte Frauen tödlich, und sei es nur, indem sie Lachen hervorrufen? Frauenfeindliche Gedanken dieser Art mögen eine Rolle gespielt haben, aber Zeuxis’ Geschichte vom Lachen hat weit mehr zu bieten.87
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